Sagen aus dem Spreewald
Abwehrzauber
Im Volksglauben der Lausitzer, wie er überliefert ist, gibt es gewissermaßen einen ganzen Katalog mit Tips und Tricks, um Böses abzuwenden, der Hexe Einhalt zu gebieten, Zauber zu entzaubern, Naturunbilden und Ungeziefer abzuwehren. Vornehmlich Blumen und Pflanzen "leisteten" wirksame Abwehrdienste: Zum Schutz gegen Gewitterschäden hängte man Kränze aus weißen und roten Blumen in die Stuben und über den Stalleingang. Auch Brennesseln sollten den Blitzschlag verhüten.
Im Wald, wo nach altem Glauben geheimnisvolle Geister ihr Unwesen treiben, wachsen Kräuter mit besonderer Kraft, wie das Farnkraut mit seinen großen, palmenblattartigen Wedeln. Im Spreewald heißt es Paprosch, in der "Hexensprache" Irrkraut oder Irrwurz. Schreitet man über Farnkrautsamen hinweg, so gerät man unterwegs in die Irre. Daher der Name. Blätter dieser Pflanze, in die Scheune gebracht, schützen das eingefahrene Getreide vor Mäusen.
Die Klettenwurzel, mittags am Walpurgistage schweigend aus der Erde gebuddelt, und in das Haus gestreut, vertreibt Ratten. Und das ist kein schlechter Rat: Zahnstocher, aus Klettenwurzel hergestellt, sind bei täglichem Gebrauch gute Prophylaxe gegen Zahnschmerzen.
Das würzige Kraut Beifuß (bekannteste Würze für den Gänsebraten) galt als wichtiger Zauberschutz. Wer die Pflanze bei sich trägt oder in die Schuhe legt, wird nicht müde und die Mächte können ihm nichts anhaben.
Zaubermittel
Sie spielten in alten slawischen Bräuchen oft eine "rituale" Rolle. So das Osterwasser. Wer sich damit wäscht, wird schön, bleibt gesund das ganze Jahr.
Oder: Wer sich vor Sonnenaufgang am Ostermorgen gründlich mit der Birkenrute auspeitscht, erhält sich für das ganze Jahr Frische und Gesundheit. Und wer auf einen Birkenzweig all seine Gebrechen übertragen hat, muß diesen Zweig sofort verbrennen. Wenn im Frühjahr die Säfte der Birke steigen, gewinne man durch Bohren den frischen Birkensaft..."Man reibt sich, daß es wirke, die Glatze damit ein", schrieb Wilhelm Busch wohl nicht ganz ernst gemeint. Die wassertreibende, nierenfreundliche Wirkung der Birkenblätter, verabreicht als Tee, ist hingegen ernst zu nehmen.
Dem Kümmel schrieb man magische Kräfte zu. Dinge, die Kümmel enthalten, konnten nicht gestohlen werden. So fütterten ganz Schlaue ihre Tauben mit Kümmel, damit sie immer heimkamen. Gerücht, Spaß oder Volksglauben, genau weiß man das nicht: Ehefrauen sollen ihren Männern Kümmelin die Tasche gesteckt haben...
Im Volksglauben wurde empfohlen, nach der Hochzeitsnacht ein Beinwellbad zu nehmen, um die Jungfräulichkeit wieder herzustellen. Ein sorbisches Sprichwort hingegen sagt:"Kein Kräutlein hat die Kräuterfrau gegen verlorene Unschuld." Beinwell, auch Wallwurz genannt ist seit Jahrhunderten aber geschätzt als wirksames Mittel bei Brüchen, unden, Eiterungen und Prellungen. Aber Vorsicht, keine Selbstrezeptur. Beinwell ist giftig, wenn nicht richtig dosiert.
Wunderglaube und Volkskalender
Auch die Sage vom hungrigen Plon oder Drache lehrt richtige Verhaltensweise. Er sieht aus wie ein Drache, kommt, wenn man eben denn Glück hat, auf den Dachboden geflogen. Er verlangt täglich reichlich Futter, belohnt den Beköster entsprechend mit gutem Geld dafür. Der Plon ist sozusagen der Spreewälder Goldesel. Wurde im Dorf jemand reich, hießes:"Der hat wohl denPlon". Wurde man jedoch zu geldgierig, erpreßte den Plon gar, konnte es schon passieren, das sich alles Geld in Pferdemist verwandelte, also keinen Heller mehr wert war.
Die Mittagsfrau, die "Pschespolnitza", vefolgte trotz ihres allgemeinhin gruseligen Tuns gute Absichten. Sie sieht aus wie eine alte böse Hexe, streift an heisen Sommertagen übr Flachs- und Getreidefelder, holt sich diejenigen, die zur Mittagszeit keine Pause machen. Steht nundie Mittagsfrau mitihren weiten Gewändern und mit der Sichel "bewaffnet" erst einmal vor den zu fleißigen Bauersleuten, hilft nur noch eins: Man muß eine Stunde lang über die Feldarbeit erzählen, vornehmlich über Flachsanbau und -verarbeitung, sonst ist es um einen geschehen. Anzunehmen ist, daß diese Sage aus der Pein entstand, daß früher Mägde und Knechte auf Geheiß ihrer Herrschaft auch in der Mittagsglut auf den Feldern schuften mußten. Das eben wollte vielleicht die Pschespolnitza verhindern.